Die  Unbezähmbaren

Ausschnitt aus dem Buch – Teil 7

Sonntagnachmittags nach dem Kirchgang ging die Familie im Riesebusch spazieren. In der Nähe lag das neu erworbene Grundstück – der Stolz der Eltern.

Einmal – es war zwei Tage nach ihrem achten Geburtstag – wollte Papa mit Julia zurückbleiben. Die anderen sollten vorgehen, er habe etwas Ernstes mit seiner Tochter zu besprechen. Das klang nicht gut. In Julias Magen begann es zu grummeln. Jedoch – wenn Papa etwas bestimmte – hatte es zu geschehen. Dagegen konnte, dagegen wollte sie sich nicht auflehnen.

„Es wird Zeit, dass ich dich aufkläre“, sagte Papa, als die anderen außer Hörweite waren.

Das klang nicht schlecht. Auch in der Schule wurde viel erklärt, immer wieder etwas Neues. Julia mochte das. Sie war ein wissbegieriges kleines Mädchen. Allerdings durften, ja sollten in der Schule alle zuhören. Es war kein Geheimnis.

Diese Sache hier war auf seltsame Art peinlich, das konnte sie an der Stimme des Vaters hören.

„Fasst du dich manchmal dort unten an?“, wollte Papa wissen.

„Wo?“ fragte Julia.

„Zwischen den Beinen“, sagte er.

„Nein – nie“, erklärte Julia.

Sie wusste genau: Dies war die richtige, die einzige und klügste Antwort, obwohl es eine Lüge war. Denn vor dem Einschlafen berührte sie sich  gern da unten, klemmte die Bettdecke fest zwischen die Beine und bewegte sich hin und her. Es war angenehm.

Mit Sicherheit wollte der Vater das nicht wissen. Er schien froh und erleichtert zu sein nach ihrem „Nein – nie“.

Mit einem Ast zeichnete er etwas auf dem Waldboden.

„Das ist ein Geschlechtsapparat“, erklärte er sein Gekritzel.

Julia interessierte sich nicht für Technik und auch der Vater schien wenig Ahnung davon zu haben, denn die Zeichnung auf dem Boden besaß weder Schrauben noch Zahnräder, die ein jeder Apparat haben musste, sonst war er nun mal keiner. Oder Papa konnte nicht zeichnen. Schließlich war sein Beruf Buchhalter, nicht Maler.

Er erzählte etwas darüber, wie ein Geschlechtsapparat funktionierte. Um anzuspringen brauchte er eine Vagina. Von dieser Maschine hatte Julia auch noch nie gehört.

Sie verstand es einfach nicht. Obwohl sie nicht dumm war. Der Herr Lehrer in der Volksschule lobte sie andauernd. Lag es daran, dass sie ein Mädchen war und die hatten von Technik keine Ahnung. Alle sagten das.  Sie interessierte sich nicht die Bohne für Zündkerzen und Kolben, wieso also für Geschlechtsapparat und Vagina.

Dagegen wünschte sich Julia brennend mit der Laubsäge zu arbeiten, das war so toll, aber nur Paul durfte das, weil er ein Junge war. Sie sollte Topflappen häkeln.

Weder zu Weihnachten noch zum Geburtstag hatte sie eine Laubsäge bekommen, obwohl es in Großbuchstaben und fett rot unterstrichen auf ihrem Wunschzettel stand.

Und jetzt sollte sie sich – obwohl sie ein Mädchen war – aus heiterem Himmel für merkwürdige Apparate interessieren, von denen sie noch nie etwas gehört hatte. Es war unlogisch. Niemals würde sie die Erwachsenen verstehen.

Zum Glück hatte auch Papa inzwischen genug von der Sache. Mit dem Fuß verwischte er die Zeichnung.

„Lauf zu den anderen“, sagte er.

Julia rannte los. Rechts und links vom Waldweg blühten weiß die Buschwindröschen.

                                                   ***

Wer Lust auf die Lesung bekommen hat, sichert sich schnell noch seinen Platz.
Silvio Thieme: Mobil 0171/3308324 – Mail: Silvio.thieme@raa.sachsen.de

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